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Jan 2011

Kino-Kritik: Kottan ermittelt – rien ne va plus

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

kottanÖsterreich 2010. Regie: Peter Patzak. Darsteller: Lukas Resetarits, Robert Stadlober, Johannes Krisch, Udo Samel, Mavie Hörbiger u.a.

Story: Drei Todesfälle in Wien in 24 Stunden. Polizeipräsident Pilch, im Amt von einem Konkurrenten bedrängt, holt Major Kottan nach 27 Jahren aus der Suspendierung, um den Fall der ermordeten Glücksspiel-Millionäre aufzuklären. Das passt dem fett gewordenen Grantler ganz gut in den Kram, will eine Bank ihn doch gerade um Haus und Grundstück bringen.

Kritik: Da schau her, der Kottan is’ wieder da! Inspektor Kottan? Nah, Inspektor gibt’s kan!

Zeit, mal wieder in die Untiefen meiner Jugend abzutauchen. Kottan war Kult. Kottan war Pflichtprogramm. Der Anti-Derrick mit Wiener Schmäh, lässiger Musik, und dem häufigen Bruch der filmischen Wirklichkeit war eines der wirklich revolutionären Programme der 70er Jahre – gleich nach “Klimbim”. Gelebte und gefilmte Anarchie, vielleicht näher an der Absurdität des Lebens als die ganzen durchgeplotteten Ermittler-Serien der gleichen Ära.

Dank der DVD-Box konnte ich mir vor ein paar Jahren alle Kottan-Folgen (waren ja nur 19) noch einmal ansehen, und mein Urteil blieb, wie es immer war: Ein “slow burner”, Kult für Kinder der Zeit, mit denkwürdigen Dialogen (“Ich bin von der Polizei!” “Und jetzt? Jetzt bist nix!”), Herz und Schnauze, kantig, unfertig, fahrig. Dabei werde ich immer Fan der Buchrieser-Ära sein (nach Peter Vogel, vor Lukas Resetarits), denn diese Folgen schafften den perfekten Spagat zwischen authentischem Wiener Milieu-Krimi und kongenialer Parodie desselben. Bei Resetarits wurde es zu einer Nummernrevue, die nur deshalb nicht ermüdete, weil man von 90 Minuten auf eine Stunde wechselte.

Und nun also “Kottan ermittelt – rien ne va plus”. 27 Jahre später. Alle alten Recken sind wieder mit an Bord, älter, feister, langsamer – nur die mittlerweile Verstorbenen sind ersetzt worden, was Kottan auch folgerichtig einer Frau erklärt, die Schrammel nicht erkennt: “Den hamma neu besetzt.” Während ich Robert Stadlober ein wenig blass finde, ist Udo Samel als geplagter Polizeipräsident eine Offenbarung. Pichl hat es nicht mehr mit dem Kaffeeautomaten, dafür aber mit einer Zeichentrick-Kakerlake zu tun, Schremser hat ein Holzbein, und Wien ist immer noch das Zentrum von Korruption und Kungelei – dafür ganz ohne Kaffeehauskultur und Prater.

KOTTAN ERMITTELT - Rien ne va plus
Es ist schade, dass Kottan-Erfinder Zenker Senior es seinerzeit nie schaffte, eine neue Kottan-Version auf die Beine zu stellen – versucht hat er es, und mittlerweile ist er verstorben. Aber sein Sohn Jan Zenker erweist sich als ebenbürtig, wenn es um beiläufige, oft unangebrachte, aber nichtsdestotrotz knuddelwerte Dialoge geht: “Wissen Sie, wie man ein Arschloch neugierig macht? Ich sag’s Ihnen morgen”. “Was musst du trinken, um auf 0,5 Promille zu kommen? Drei Tage lang nix mehr!”.

Obwohl Regisseur Patzak behauptet, mit “Rien ne va plus” zu den Wurzeln des storygeführten “Kottan” zurück zu kehren, erweist sich der neue Film als direkte Fortführung der Nonsens-Krimis aus der Resetarits-Ära. Eine Handlung wird gerade mal angerissen, Figuren und Nebenplots tauchen auf und verschwinden, das Geschehen im Hintergrund ist oftmals interessanter als der Vordergrund, und die Menge an running gags erinnert an Monty Python. Schade, denn bei satten 110 Minuten Laufzeit wird das Gerüst dann doch mitunter etwas dünn.

Hinzu kommt, dass der neue “Kottan” erstaunlich Kottan-arm ist – aus dem Bauch raus würde ich vermuten, dass ausgerechnet Schremser mehr “screen time” hat und den Film zu breitbeinig grimassierend an sich reist. Das kann man auch im Trailer unten schon erahnen, Setzen die Macher etwa mittelfristig auf einen Schremser-Ableger? Für meinen Geschmack hat sich Resetarits deutlich zu rar gemacht.

Aber das ist unter dem Strich alles nur Kleinkram: “Kottan ermittelt – rien ne va plus” ist für Kottan-Fans eine Offenbarung, absolut treffsicher in der Fortsetzung des 80er-Lifestyles, entspannt, vollgepackt mit Reminiszenzen und erzählerischen Miniaturen, Wiener Hackfressen und Bohemians. Ein so irrwitziger wie folgerichtiger Mikrokosmos, auf den man sich einlassen muss, um nicht kopfschüttelnd nach einer halben Stunde aus dem Kino zu schleichen.

Ein Juwel für die Anhänger des Majors. Neue Fans dürften sich damit allerdings nicht rekrutieren lassen. Mir wurscht.

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15 Kommentare
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Howie Munson
Howie Munson
28. Januar, 2011 15:24

hmm ich frag mich gerade wo ich im Letzen Jahr was über die Serie gelesen hab, wenn es anscheinend nicht hier war… die Blogsuche finden jedenfalls nur einen kurzerwähnung in einen Kommentar von Jo… und der fernsehlexikontext kommt mir von den formulierungen her nicht bekannt vor…

peter
peter
28. Januar, 2011 16:31

vielleicht bei titanic?

Dr. Acula
28. Januar, 2011 16:33

Jessas. Davon hab ich gar nix mitbekommen. Coole Sache.

Achim
Achim
28. Januar, 2011 17:09

Ich muss ja bekennen, dass Resetarits mein liebster Kottan war und ist, aber ich bin auch erst Ende 1972 geboren, damit also mehr ein Kind der 80er.
Wenn also Kottan nicht die Figur mit der meisten Bildschirmzeit ist, so finde ich das ausgesprochen schade.
Mal sehen, ob der Film in Saarlouis läuft oder ob ich ihn in Trier sehen muss.

Who knows?
Who knows?
28. Januar, 2011 17:57

“Mal sehen, ob der Film in Saarlouis läuft oder ob ich ihn in Trier sehen muss.”
Es gibt Länder, wo was los ist.
Es gibt Länder, wo richtig was los ist.
Und es giiiiiiiieeeeeeeebt…
…das Saarland
😉

Howie Munson
Howie Munson
28. Januar, 2011 19:36

@Peter: ne, das war es auch nicht, da kommen mir nicht nur die Formulierungen fremd vor, sondern auch die erwähnten Fakten bzw. deren Wertung. Vielleicht doch das Fernsehlexikon und weniger aufmerksam als gedacht gelesen.

Achim
Achim
28. Januar, 2011 20:14

@Who:
In Saarbrigge dürfte der wohl auch laufen.
Und ein Spottlied von Grebe über das Saarland würde ich sehr begrüßen! Hier ist weniger los als in Brandenburg und hier gibts weniger Prominente als in Thüringen.

DMJ
DMJ
28. Januar, 2011 23:11

“Kottan”? Leider nie gesehen, obwohl es sympathisch exzentrisch klingt.

Lindwurm
29. Januar, 2011 01:51

“Kottan” war neben der grandiosen Proletariersaga “Ein echter Wiener geht nicht unter” mit das Beste, was österreichisches (TV)Filmschaffen hervorgebracht hat. Allein: Kottan war ein Kind einer Zeit, die sich nicht so ohne weiteres wieder heraufbeschwören lässt wie irgendein b-Dämon. Zur “Kottan-Zeit” gab es in Wien eine brodelnde Szene junger Autoren, Kabarettisten und Musiker, allesamt “ironisch politisiert”, die so heute nicht mehr existiert. Daher hatten selbst die reichlich in den surrealen Humor abdriftenden Spät-Kottans mit Resetarits immer auch sowas wie – und ich schäme mich nicht, das Wort zu benutzen – Relevanz. Weil nämlich die Macher und Beteiligten noch Verbindungen zur realen Welt hatten, weil sie wussten, wie es sich als Wenigverdiener so lebt, wie es ist, wenn die “echten Kottans”, also die reale Polizei, gegen einen vorgeht, weil sie auch mit der kleinkriminellen Szene vertraut waren. Davon sind die Wiederbeleber von “Kottan” weit entfernt. Zu weit, und so ist der Film zwar guckbar, aber eben auch igendwie einfach wurscht.

Peter
Peter
29. Januar, 2011 12:51

“Aber sein Sohn Jan Zenker erweist sich als ebenbürtig, wenn es um beiläufige, oft unangebrachte, aber nichtsdestotrotz knuddelwerte Dialoge geht: “Wissen Sie, wie man ein Arschloch neugierig macht? Ich sag’s Ihnen morgen”. “Was musst du trinken, um auf 0,5 Promille zu kommen? Drei Tage lang nix mehr!”.”
Dafür muss man wohl echt Fan sein, um sich aus zwei blöden Sprüchen (die vermutlich auch schon so alt sind wie die Originalserie) einen Dialog zu basteln und den auch noch zu mögen. Soll der zweite Spruch eigentlich ne Antwort auf den ersten sein? Ansonsten passt der Begriff “Dialog” nicht ganz 🙂

Dietmar
Dietmar
29. Januar, 2011 17:37

@Peter:
“Ein Juwel für die Anhänger des Majors. Neue Fans dürften sich damit allerdings nicht rekrutieren lassen. Mir wurscht.”
Klar soweit?

curry
curry
29. Januar, 2011 21:47

Die ersten 3-4 Kottan-Folgen sind unerreicht und unerreichbar, denke ich mal. Ich bin derjenigen, die mich darauf aufmerksam gemacht hat, heute immer noch unendlich dankbar. Eine echte Perle!
Der Trailer und ein Stadlober (ohjee), der wohl mit Wiener Schmäh synchronisiert wird (!), lassen mich an dem vorgestellten Werk allerdings sehr zweifeln…

Peter
Peter
2. Februar, 2011 05:22

@Dietmar: Ja, sehr klar. Dennoch darf man doch wohl auch als nicht-Fan einen Kommentar hinterlassen, oder? Schließlich macht es auch mal Spaß einem Fan zu zeigen dass der Gegenstand des Kultes eventuell halt einfach nur Kult, aber nicht mehr ist (bzw nicht von jedem als Kult angesehen wird) 😉
P.S.: Ich habe aber natürlich nicht erwartet dass der Wortvogel oder jemand anders jetzt sagt “oh stimmt, ist ja garnicht lustig, dann find ich das jetzt (auch) doof”. 🙂

Peroy
Peroy
2. Februar, 2011 05:56

Den Arschloch-Spruch hab’ ich gerade erst im RockHard-Motörhead-Sonderheft gelesen, wo er als Lemmy-Zitat aufgeführt ist… und wenn das stimmt, dann hat der den bestimmt nicht erst gestern vom Stapel gelassen…
Soviel dazu…

Wortvogel
Wortvogel
2. Februar, 2011 07:54

Lemmy sagt das nicht mit Wiener Schmäh – das macht den Unterschied 😉