21
Feb 2010

“Dr. Hope” Special (1): Szenenbild

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Wie angekündigt werde ich in den nächsten Wochen bis zur Ausstrahlung viel Material aus dem üppigen Presse-Special des ZDF posten – leider ist ja nicht zu erwarten, dass viele Magazine den Platz haben, um z.B. ein Interview mit der Szenenbildnerin abzudrucken, so spannend es auch sein mag.

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((c) ZDF und Erika Hauri)

“Wir haben extra ein Oldtimer-Auto gebaut”

Su Proebster

(Ausstattung/Szenenbild)

Su Proebster ist in Bielefeld geboren und in Berlin aufgewachsen. Zehn Jahre lang betrieb sie Schwimmen als Leistungssport. Nach ihrer Gesellenprüfung als Tischlerin belegte sie Seminare in Bildhauerei und machte erste kleine Schritte in Richtung Szenenbild als Bühnen- und Kostümbildnerin bei kleinen Independent Art Festivals. Kontakt zum Film bekam Su Proebster zunächst als Stuntfrau. Ab 1985 war sie dann für Baubühne und Requisite bei der Musiksendung “Formel Eins” zuständig. Nach einer Szenenbildnerassistenz folgten erste eigene Arbeiten als Szenenbildnerin für Musikvideos. Nach ihrer letzten “For­mel Eins”-Sendung 1989 war Su Proebster als Requisiteurin, Requisi­tenbauerin und Art Director tätig, seit 1993 als Szenenbildnerin in di­versen Produktionen. Mit dem Drama “Roula” (1995) begann Su Proebsters langjährige Zusammenarbeit mit dem Regisseur Martin Enlen. Su Proebster war außerdem für die Designs von Red-Carpet-Shows und After-Show-Partys zum Beispiel für “Interview mit einem Vampir”, “Brave Heart”, “Drei Engel für Charly”, “Terminator”, “James Bond”, “Spiderman” und verschiedene andere verantwortlich. Außer­dem arbeitete sie im Art Department bei “Peter Jackson’s King Kong” (2005) und Roland Emmerichs “10.000 B.C.” (2008). Für den ZDF-Dreiteiler “Der Liebe entgegen” wurde Su Proebster in der Kategorie Bestes Szenenbild für den Deutschen Fernsehpreis nominiert.

Interview mit Szenenbildnerin Su Proebster

Dr. “Hope” ist nicht Ihr erster historischer Film. Sind solche Aus­stattungen ein besonderer Reiz oder eher ein Fluch?

Natürlich sind die Herausforderungen wesentlich größer als an einen Gegenwartsfilm – allerdings ist es für jeden Szenenbildner ein Traum, historische Stoffe verwirklichen zu dürfen. Die Möglichkeit, eine Zeit­reise antreten und bildlich umsetzen zu dürfen, ist, wie in eine Zeitma­schine zu springen. Und im Fall von “Dr. Hope” war die medizinische Ausstattung noch eine weitere große Herausforderung. Eine Requisi­teurin war nur damit beschäftigt, alle medizinischen Requisiten zu fin­den. Oft war der Zustand aber sehr schlecht, und sie mussten restau­riert, repariert oder sogar komplett neu hergestellt werden.

…und der Gynäkologenstuhl?

Ja, Hopes Gynäkologenstuhl war eine besondere Herausforderung, aber manchmal muss man auch ein wenig Glück haben. Nachdem wir lange bei Sammlern und in Museen recherchiert und nichts gefunden haben, stießen wir zufällig bei der Suche nach anderen Gegenständen auf einen alten kaputten Gynäkologenstuhl im Filmfundus in Stuttgart. Er wurde dann von meinen Werkstätten komplett restauriert, die nach­träglich angebrachten Dinge entfernt und so wieder in den alten Zu­stand versetzt. Mann muss ja bedenken, dass all das, was man heute aus jener Zeit findet, über 100 Jahre alt ist, damals aber brand­neu war.

Haben Sie an Originalschauplätzen drehen können?

Das Münchner Wohnhaus von Dr. Hope steht heute noch, doch die Gabelsbergerstraße ist eine extrem befahrene und belebte Gegend in München, und es war unmöglich, dort zu drehen. Man kann ein sol­ches Gebiet nicht für Wochen sperren lassen. Also musste ich einen Ort finden, der möglichst viel alte Substanz besitzt und für die Vorbe­reitung und den Dreh zu kontrollieren ist. Überhaupt war die Motivsu­che in diesem Fall besonders schwierig, da die Handlung in vielen Großstädten spielt: in London, Leipzig, Frankfurt und München. Aber die passenden Locations haben wir alle in München und Umge­bung gefunden.

Inwieweit konnten Sie bei Ihren Recherchen auf authentisches Material von der historischen “Hope” zurückgreifen?

Am Anfang meiner Recherche habe ich natürlich versucht, soviel wie möglich über die Ärztin zu erfahren und Material über ihre Arbeit zu finden. Wir recherchierten in Archiven der Münchner Ludwig-Maximili­ans-Universität, dem Medizin-Historischen Museum Ingolstadt, der Charité in Berlin, in vielen Büchern und im Internet. Um die vielen Sets zu bestücken, ist das Ausstattungsteam in ganz Deutschland und Österreich in Fundis, bei Sammlern und in Museen unterwegs gewe­sen, um Stoffe, Möbel, Lampen und Requisiten zusammenzutragen. Teilweise wurden Sachen aus England geschickt. Und Utensilien, die nicht gefunden werden konnten, wurden speziell für den Film angefer­tigt.

Was denn, zum Beispiel?

Hopes Oldtimer-Auto. Ich habe Fotos davon an das Technische Mu­seum München geschickt, um Marke und Herstellungsort festzustellen und dabei erfahren, dass es um 1906 noch nicht wirklich Autofabriken gab. Viele Fahrzeuge wurden damals in Hinterhöfen von ehemaligen Kutschenbauern angefertigt, so wie auch das von Dr. Hope. Um einen reibungslosen Ablauf des Drehs zu garantieren, haben wir sogar extra ein Oldtimer-Auto gebaut. Denn ein Auto, das so aussieht wie das von Dr. Hope war nirgends zu finden, und Museumsstücke sind zu wertvoll bzw. überhaupt nicht zu bekommen. Außerdem mussten die Darsteller sicher damit fahren können. Trotz der üblichen Probleme wie Zeit und Geld ist es gelungen, dieses Fahrzeug in 20 Tagen zu bauen. Alle an­deren Fahrzeuge wie Kutschen oder Background-Autos wurden von Sammlern und speziellen Filmfahrzeug-Verleihern angemietet und teilweise beschriftet oder so verändert, dass sie authentisch ausse­hen.

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((c) ZDF und Erika Hauri)

Mussten Sie auch Straßen verändern?

Ja. Da es in einem historischen Film kein Set gibt, das man original benutzen kann, mussten alle Kulissen hergestellt bzw. bearbeitet wer­den. Das heißt, die Straßen mussten von Schildern, modernen Lam­pen, Ampeln und Markierungen befreit werden. Klingelschilder wurden entfernt, Verteilerkästen kaschiert, alte Straßenschilder angefertigt und moderne Fenster ausgetauscht oder bearbeitet. Außerdem muss­ten zeitgenössische Gardinen aufgehängt werden, und der Asphalt wurde mit Sand aufgeschüttet.

Wie authentisch sind denn die vielen Alltagsgegenstände?

Bei den Innenausstattungen – viele Sets wurden übrigens in den Ba­varia Filmstudios gebaut – ist eine enge Absprache mit den Kolle­gen von Kostüm und Kamera nötig, um Farbigkeit und Lichtstimmun­gen zu besprechen. Und um die historisch korrekten Tapeten und Stoffe zu finden, wurden Tapeten- und Stoffhersteller in ganz Europa kontak­tiert. Es gibt auch heute noch Firmen, die Repliken aus der da­maligen Zeit herstellen.

Wie war die Zusammenarbeit mit den Kollegen von der Ausstat­tung, ist sie enger als bei “aktuellen” Filmen?

Das Ausstattungsteam bei einem Film wie “Hope” besteht aus vielen Spezialisten, darunter Tischler, Maler mit speziellen Patina-Kenntnis­sen, Mechaniker, Dekorateure, Näherinnen und Requisiteure. Nur eine enge Zusammenarbeit aller künstlerischen Abteilungen kann die Ziel­setzung eines solchen Projektes erreichen.

Die Interviews führte Jutta Siekmann, Abdruck mit freundlicher Genehmigung des ZDF



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Dietmar
Dietmar
21. Februar, 2010 12:02

Das ist so super!

Stephan
Stephan
21. Februar, 2010 12:12

Sehr interessant!

Eine lokalpatriotische Frage:
Weißt Du vielleicht, wo die Außenaufnahmen in München gedreht wurden?

Wortvogel
Wortvogel
21. Februar, 2010 12:52

@ Stephan: Ich weiß es auch nicht so genau, finde es aber gerne mal raus.

Shah
Shah
21. Februar, 2010 13:21

“Das heißt, die Straßen mussten von Schildern, modernen Lam­pen, Ampeln und Markierungen befreit werden. Klingelschilder wurden entfernt, Verteilerkästen kaschiert, alte Straßenschilder angefertigt und moderne Fenster ausgetauscht oder bearbeitet”

Ganz, ganz dumme Laienfrage, nicht hauen: Macht man sowas dann nicht per Computer oder wird das dann wirklich alles real gemacht?

Stephan
Stephan
21. Februar, 2010 13:25

@Shah
Siehe Wortvogels “Virtual Backlot”-Beitrag.

Ich denke wenn man sich schon für einen echten Außendreh vor Ort entscheidet, ist es günstiger ein paar Hiwis durch die Straße zu jagen und abzubauen/abzuhängen, als das ganze noch aufwendig am Rechner nachzubearbeiten.

@Torsten
Danke, würde mich interessieren. Du könntest dann ja sowas wie eine “Hope-Safari” durch München anbieten. Mit Freigetränken. Dann würde ich auch mitkommen 😉

Dietmar
Dietmar
21. Februar, 2010 13:28

@Stephan: ,,Hope-Safari”, was für eine Idee! Bin dabei! 😀

efde
efde
21. Februar, 2010 13:32

Nun werden auch noch Autos und Straßen plagiatiert? Ein Skandal!

Wortvogel
Wortvogel
21. Februar, 2010 19:16

@ Stephan: Die meisten Drehorte werden in dem Drehtagebuch des Regisseurs genannt, das ich dieser Tage posten werde. Wo die falsche Gabelsbergerstraße lag, bringe ich noch in Erfahrung.

pa
pa
22. Februar, 2010 09:41

Da würde mich aber interessieren, ob bestimmte Kulissen, mit der Technik des vorigen Artikels über Stargate, hergestellt wurden. Da könnte man doch ganze authentische Strassenzüge integrieren.

Sir Richfield
Sir Richfield
22. Februar, 2010 22:43

Sei mir nicht böse, aber ich mache mit dem Lesen ein wenig Pause. Zumindest bis die Eigenwerbung in diesem Maße aufhört, OK?

Dietmar
Dietmar
22. Februar, 2010 23:19

Also ich finde diesen Beitrag interessant, Sir Richfield.

Motana
Motana
23. Februar, 2010 16:07

Wer die Beiträge über Hope auch nur quergelesen hat, kann Wortvogels Trommelei nur zu gut verstehen. Stolze Eltern belästigen ihre Mitmenschen halt gerne mit Infos über ihre Babies. 😉 Ich find’s gut.

Wir haben extra ein Oldtimer-Auto gebaut

Klingt so, als sei die Karre fahrtüchtig. Unmöglich, das Ding bekommt doch niemals eine Umweltplakette.

Im Ernst: Was wurde denn da für ein Motor verbaut?

Wortvogel
Wortvogel
23. Februar, 2010 16:45

@ Montana: Fahrtüchtig war der Wagen auf jeden Fall – er wird schließlich im Film gefahren. Was für ein Motor? Keine Ahnung. Ich kann nur empfehlen: Szenenbildnerin googeln und anschreiben.

Montana
Montana
24. Februar, 2010 20:59

@Wortvogel: Ne, lass mal. Wenn ich jede fixe Idee, die mir beim ansehen von Filmen durch den Kopf geht, gleich an die Verantwortlichen weiterleiten würde, käme ich ja zu nichts anderem mehr – und die Verantwortlichen auch nicht…

Und so genau will ich es auch gar nicht wissen. Ich kann mir nur einfach nicht vorstellen, dass solche Nachbauten den Motor umfassen. Viel zu aufwendig. Das passende Geräusch wird sicher in der Postproduktion eingemischt.

Max
Max
22. März, 2010 21:18

Hallo zusammen habe grad mal gezappt und bin bei ZDF und DR,Hope stehen geblieben weil es mich fast von der couch gerissen hat.Da haben doch die Tatsächlich in meinem Viertel wo ich aufgewachsen bin ne szene gedreht doch nirgens taucht mein Ort auf?also aufgewachsen bin ich Im proviantbachviertel in Augsburg..alte Backsteinhäuser.die szene von der ich rede im film ist die wo sie nach london geht und aus Ihrem haus raus ins auto einsteigt…genau die Häuser die zu sehen sind dort bin ich aufgewachsen…bin mir ziemlich sicher trotz kurzer einblendung…kann mir jemand das bestätigen.??gruß max

Wortvogel
Wortvogel
24. März, 2010 09:50

@ Max: Schau mal in das Regie-Tagebuch von Martin Enlen hier im Blog. In der Tat wurde in Augsburg gedreht.