06
Jan 2010

Movie Mania Minis (16)

Themen: Film, TV & Presse, Movie-Mania 2009, Neues |

Across the Universe

USA 2007. Regie: Julie Taymor. Darsteller: Evan Rachel Wood, Jim Sturgess, Joe Anderson, Dana Fuchs, Martin Luther McCoy u.a.

poster_across-the-universe1 Inhalt: Arbeiterkind Jude reist von Liverpool nach Amerika, um den Vater zu finden, den er nie kennen gelernt hat. Fasziniert von den kulturellen Umwälzungen der 60er Jahre, bleibt er dort hängen, zieht mit Kumpel Max nach New York, und verliebt sich in dessen Schwester Lucy. Nach und nach müssen Lucy, Jude, Max, und ihre Freunde lernen, ihren Weg in einer Welt zu machen, die den Weg nicht mehr vorgibt. Drogen, Musik, Geld, Politik, Liebe – alles muss mit dem eigenen Lebensentwurf unter einen Hut gebracht werden.

Kritik: Ein Musical aus Beatles-Musik – wie… unerwartet. “Across the Universe” hatte ich schon ewig lange hier rumliegen. Das Hintergrundrauschen aus dem Netz, das ich zu dem Film wahrgenommen hatte, war extrem gemischt gewesen: An manchen Stellen wurde der Film als detailverliebtes Pop-Märchen gepriesen, andernorts hieß es, der Film sei prätentiös und emotional unaufrichtig. So eine Art “Mamma Mia!” für pseudo-intellektuelle Gymnasiasten und Nostalgiker. Das stimmt alles, und doch nicht wirklich.

Der sehr aufwändige, sehr bunte, und sehr hip inszenierte Film ist eine Hommage an Alan Parker, an Baz Luhrmann, und an die anderen Kino-Poeten, die bei den Gefühlen den Verstärker gerne auf 11 drehen. Er suhlt sich im Kitsch, verniedlicht Gefühle ebenso wie Geschichte, und saugt in Postkartenbildern jedes Quentchen Authentizität aus seiner Story. Schöne Menschen sagen sich bedeutsame Dinge in Kulissen, die nach den prächtigen Fotobänden vom Taschen Verlag aussehen. Und dann singen sie viel und ausgiebig von Liebe.

Andererseits: Warum auch nicht? Haben die Beatles nicht hauptsächlich Liebeslieder von unglaublichem Pathos und perfekter Schönheit geschrieben? Sehen wir die 60er nicht ebenso romantisiert, wie es “Across the Universe” tut? Ist es nicht eine Aufgabe des Kinos, den Traum zu zeigen, statt ihn zu zerstören?

Julie Taymor ist nicht Alan Parker, auch nicht Baz Luhrman, eher schon Julien Temple. Sie verschluckt sich an der Mammut-Aufgabe, eine packende Love Story UND das ganze große Panorama zu erzählen. Die Liebe von Jude und Lucy wird teilweise in den Hintergrund gedrängt, weil Taymor mehr an dem visuellen Füllhorn interessiert scheint, das ihr zur Verfügung steht. Die Protagonisten bleiben blass, ihre Romanze besitzt nicht genug Drama, nicht mal genug Melodrama, um zu überzeugen. Die Unausweichlichkeit ihrer Liebe fehlt, und damit das emotionale Investment für den Zuschauer.

Aber auch wenn der Kern der Geschichte etwas mager sein mag, hat “Across the Universe” allemal genug für einen unterhaltsamen Abend zu bieten: Dutzende schicker und sensibler Cover-Versionen der Beatles-Klassiker, grandiose Bilder, bezaubernde Gast-Auftritte (Bono, Joe Cocker, Eddie Izzard), und stundenlanges Vergnügen, auch die visuellen Referenzen bezüglich der Beatles zu finden. Man muss sich nur einlassen.

Ich vermute, dass der Film in den 80ern ein riesen Hit geworden wäre, als Nostalgie für die 60er noch deutlich verkitschter wahrgenommen wurde, und die Reduktion auf visuelle Schlüssel im Zeitalter der Musikvideos selbstverständlicher war.

Wer die Musik der Beatles nicht mag, ist hier allerdings total falsch.

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faby, Botschafter des Lächelns
6. Januar, 2010 11:14

Yeah, schöner Film! Du hast es ja schön zusammengefasst, wenn man sich darauf einlässt: Rock’n’Roll!

Finde es schade, dass er so unbekannt ist, denn sowohl Film als auch Soundtrack sind ziemlich cool. Aber ich finde immer wieder Menschen, die mir begeistert von diesem erzählen, nachdem sie ihn zufällig irgendwo gefunden haben. Hoffentlich werden es noch ein paar mehr.

Grüße an die Vogelwelt – spread the smile – faby

Lutz
Lutz
6. Januar, 2010 12:31

Ich WOLLTE “Across the Universe” wirklich mögen. Ich hatte mich schon im Vorfeld riesig auf den Film gefreut und konnte es nicht abwarten, bis er endlich in Deutschland lief. Als es dann soweit war, bin ich sofort ins Kino gestürzt (und erlebte eine Privatvorstellung, weil außer mir kein Schwein im Kino saß).

Ich war letztendlich von dem Film enttäuscht. Ich finde, man merkt dem Film an, wie verkrampft Julie Taymor versucht, eine Handlung um die Songs zu verknüpfen. Da ist keinerlei natürlicher Flow dabei, man weiß sofort, welcher Song vorkommen muss, weil die Geschichte jetzt mal wieder auf Krampf in eine bestimmte Richtung gekrümmt wurde, damit sie auf den Inhalt eines bestimmten Songs passt.

Abgesehen davon fand ich es schade, dass die meisten Songs eher zweitrangige Beatles-Songs sind. Sicher, immer wieder und zum Ende hin verstärkt blitzt ein großer Song durch, aber viele Songs sind wirklich nur Hardcore-Beatles Fans bekannt.

Richtig enttäuscht war ich vom Finale. Ok, man muss “All you need is love” nicht so endlos lang auswalzen, wie es die Beatles tun, aber in diesem Film wird, anstatt die Emotionen, die man darauswringen könnte, auszukosten, direkt nach erreichen des Refrains abgebrochen. Gerade, weil man das Lied kennt, wirkt das dann sehr abgehackt.

Visuell finde ich den Film grandios. Julie Taymor ist in der Tat kein Baz Luhrmann, aber ich habe sie auch nie mit ihm verglichen. Ich finde, Taymor hat ihre eigene Bildsprache gefunden und der Vergleich mit Luhrmann kam mir dadurch gar nicht in den Sinn. Ich finde schon, dass man einem Film oder einer Inszenierung ansieht, dass sie von Taymor stammt (wer mal sehen will, was sie wirklich kann, muss sich nur “Titus” ansehen, eine der besten Shakespeare-Adaptionen überhaupt).

Meiner Meinung nach funktioniert “Across the Universe” besser, wenn man sich die einzelnen Songs als Clips ansieht. Die sind in der Regel wirklich umwerfend gemacht, im Ganzen betrachtet lässt mich der Film aber wegen seiner Verkrampftheit seltsam kalt.

Baumi
6. Januar, 2010 14:38

Ich hatte mit dem Film nicht so sehr das Problem, dass ich die Beatles nicht mag – im Gegenteil: Ich mag die Musik der Beatles wohl zu sehr, um diesen Film zu mögen.

Bei den vier Herren bin ich Purist: Mir gefallen die Originalaufnahmen und die zeitgenössischen Alternativ-Versionen auf diversen Bootlegs und nachträglich herausgegebenen Studio-Tapes – aber auf den allergrößten Teil der Remix- und Cover-Industrie, die sich darum entwickelt hat, kann ich verzichten. (Insbesondere auf das völlig überflüssige “Love”-Album von vor einigen Jahren.)

Positive Remix-Ausnahme: “Let it be: Naked” – eben weil da nicht einfach frische Overdubs dazu aufgenommen oder wild irgendwas aus völlig verschiedenen Stücken zusammengekleistert wurde, sondern eine schon damals als Idee existierende Mix-Variante aus den Original-Bändern mit ein paar Jahrzehnten Verspätung realisiert wurde.

Was die Handlung von “Across the Universe” angeht, stimme ich Lutz zu: Typisches Jukebox-Musical-Problem: Krampfhafte Wendungen, um den nächsten Song zu rechtfertigen. Die Songs selber konnten für mich dann eben nicht mit den Originalen mithalten, und die Schauwerte alleine konnten mich dann nicht so packen, da bin ich wohl nicht der Typ für. (Konnte auch Baz Luhrmann nie was abgewinnen.)

Mollari
Mollari
7. Januar, 2010 11:27

Fand den Film (nach diversen Vorwarnungen durch Freunde) auch besser als gedacht.

Zum einen gefiel mir im Gegensatz zu Lutz gerade die Verwendung “unbekannterer” Songs (als ob es so etwas bei den Beatles gibt :)), weil da mal nicht mit dem Offensichtlichsten, sondern eben mt dem Passendsten gearbeitet wurde, zum anderen wirkte dieses Handlung-an-den-Songs-abarbeiten-Schema auf mich weniger verkrampft denn eher als Verbeugung, in der Art: “Seht mal, die Songs erzählen von sich aus eine Geschichte, man muss gar nicht viel dazu tun!”

Ich kann die Kritik verstehen (gerade das Hauptelement, die Liebe der beiden Hauptfiguren, ist wenig herausgearbeitet und droht dann auch noch zwischen Bombast erdrückt zu werden), aber der Film ist, wie vom Wortvogel schon erwähnt, heutzutage einfach solch ein Kuriosum, dass ich ihn einfach ein wenig in Schutz nehmen möchte, denn schlussendlich hat er mich doch einigermaßen bewegt.

Asmodeus
Asmodeus
7. Januar, 2010 11:45

Kann man da soetwas erwarten wie in “Pink Floyd – The wall”?

Wortvogel
Wortvogel
7. Januar, 2010 16:00

@ Asmodeus: Nein, “Across the Universe” erzählt eine sehr einfache Geschichte, und ist nicht Stückwerk wie “The Wall”. Nur manche Sequenzen (Max’ Musterung) erinnern an Alan Parkers Film. Siehe auch meinen Review zu “The Wall” von vor ewig.

milan8888
milan8888
7. Januar, 2010 16:24

Ich kann mich nur Baumis Meinung anschließen