07
Sep 2009

FFF 2009: Tell Tale

Themen: Fantasy Filmf. 09, Film, TV & Presse, Movie-Mania 2009, Neues |

telltaleposterUSA 2009. Regie: Michael Cuesta. Darsteller: Josh Lucas, Lena Headey, Brian Cox u.a.

Story: Für Terry geht es endlich wieder aufwärts – er verträgt sein neues Herz ganz gut, beginnt eine Beziehung mit der schönen Ärztin Elizabeth, und kann sich endlich wieder um seine – von einem genetischen Defekt verkrüppelte – Tochter kümmern. Doch irgendetwas stimmt nicht: in Gegenwart bestimmter Personen beginnt Terrys Herz lebensgefährlich heftig zu schlagen, und diese Personen scheinen etwas mit dem Tod vom Spender des Organs zu tun gehabt zu haben. Terry versucht, bei dem zuständigen Cop van Doren Antworten zu finden, doch dieser verfolgt ganz eigene Ziele…

Kritik: Es ist nicht weiter erstaunlich, dass jemand versucht, aus einer extrem kurzen Kurzgeschichte von Poe einen Film zu schinden. Mit Poe ist es wie mit King: irgendwann wird jemand auch deren Einkaufszettel verfilmen (“Hugh Jackman IST ‘Der Einkäufer‘ in ‘Stephen Kings Brot und Milch‘!”). Erstaunlich ist allenfalls, dass die Erweiterung des Plots, seine Übertragung in die Gegenwart, und seine Fusion mit einer Krimihandlung, tatsächlich halbwegs erfolgreich ist.

Natürlich bleibt vom Original nicht viel mehr übrig als “Mann kann einen Herzschlag überlaut hören”, und es ist nicht einmal mehr der eines Fremden, sondern sein eigener. Der Kern von Poes Geschichte wird auf ein Gimmick reduziert – genau so gut könnte Terry die allseits beliebten Visionen haben (die kommen dann auch noch). Aber man muss hier die Grundsatzfrage stellen: ist mir die Vorlagentreue wichtiger als das funktionierende Skript? Im Zweifelfall ziehe ich ein funktionierendes Skript vor, zumal “Tell Tale” sich nicht allzu aggressiv als Poe-Verfilmung vermarktet.

Was die technische Seite angeht, ist “Tell Tale” eine echte Scott Free-Produktion: sehr “slick”, sehr poliert, durchgehend professionell inszeniert und gespielt, mit ein paar schnickschnackigen Kameraspielereien, die wohl sein müssen, wenn die Brüder Tony und Ridley als Produzenten im Vorspann stehen.

Was “Tell Tale” von vielen anderen Genre-Filmen unterscheidet, ist seine Verweigerung klarer Heldenfiguren (dazu kommen wir bei “District 9” auch noch). Bis auf Terrys Tochter ist in diesem Film niemand unschuldig, und angesichts seiner brutalen Vorgehensweise taugt auch Terry nicht zum Helden. Das Klischee Cop, traditionell entweder bemüht oder korrupt, bekommt hier eine völlig neue, verstörende Facette. Im Bemühen, die Figuren dreidimensional und gebrochen zu zeigen, findet “Tell Tale” erstaunliche Spannung, denn man ahnt tatsächlich nicht, wo die Story hinführen soll. Da gefällt sogar der Twist der am Schluss, der überrascht, obwohl er folgerichtig ist (und sogar diverse offene Fragen beantwortet).

telltale

Leider ist diese Stärke auch die größte Schwäche von “Tell Tale” – es gibt filmische Standardfiguren, weil wir uns an sie emotional leicht andocken können: der gehetzte Held, die geheimnisumwitterte Schönheit, der skrupellose Gangster. Spätestens, wenn Terry jemandem mehrfach und mit voller Wucht das Gesicht zertritt, mag man ihm als Protagonisten nicht mehr folgen, der Charakter lädt nicht mehr zur Empathie ein. Cuesta baut damit eine Barriere zwischen Zuschauer und Haupfigur, die sehr abträglich ist.

Darum bleibt am Ende ein Film, den ich mehr respektiere als mag. Der mich mehr überzeugt als begeistert. Dem ich wohlwollend auf die Schulter klopfen will, statt ihn begeistert zu umarmen. Lob also aus dem Kopf, statt aus dem Bauch.

Kommen wir zu den Videos. Da in ich heute mal großzügig, und verweise auch auf alternative Adaptionen der Geschichte.

Vincent Price gibt eine beeindruckende Performance für eine TV-Aufzeichung mehrerer Poe-Lesungen:

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Die sicher schönste Adaption der Geschichte stammt aus dem Jahre 1953, und ist Zeichentrick, vorgelesen von James Mason:

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Einen richtigen Trailer zum Film konnte ich leider nicht auftreiben, daher hier eine repräsentative Szene:

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Eine ebenfalls sehr schöne Verwendung verschiedener Poe-Motive findet sich in der Episode “The Black Cat”, die Stuart Gordon für die Serie “Masters of Horror” drehte:

http://www.youtube.com/watch?v=NctWFFWfa1U

Wortvogels pantomimisches Urteil:

salut



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9 Kommentare
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Gregor
11. September, 2009 21:50

Eine sehr schöne Adaptionen-Ansammlung! Grad der Vergleich der Price- mit der Mason-Version ist faszinierend.

Peroy
Peroy
16. Januar, 2013 22:52

Hab’ ihn mir dann auch mal angesehen, nachdem ich mir vor zwei Jahren oder so die DVD geholt hab’… joa…

http://trashtalk.badmovies.de/index.php?topic=7753.msg956111#msg956111

Weil der arme Film nur einen Kommentar hat, dachte ich, ich mach’ mal was… das hat er ja nun nich’ verdient, ne…

Da fällt mir ein, ich muss nochmal “The Abandoned” komplett gucken…

Karsten
17. Januar, 2013 03:23

Hab mich die letzten 2 Stunden mal durch deine Reviews gelesen. Oft sehr gut zu lesen und treffend bewertet – aber Bloodrayne > Silent Hill? Was hast du da denn bitte geschnupft?

Peroy
Peroy
17. Januar, 2013 03:56

“Hab mich die letzten 2 Stunden mal durch deine Reviews gelesen. Oft sehr gut zu lesen und treffend bewertet – aber Bloodrayne > Silent Hill? Was hast du da denn bitte geschnupft?”

Die Wahrheit.

Karsten
18. Januar, 2013 01:57

Tatsächlich zählt Silent Hill zu den besten Videospieleverfilmungen ever. Die Stimmung der Serie wird toll eingefangen, viele Stilmittel aus den Spielen werden benutzt und selbst der Twist am Ende funktioniert. Mag sein, dass man dafür Silent Hill gespielt haben muss, ich kann den Film leider nicht mehr das erste Mal schauen, ohne das Spiel gespielt zu haben, aber für mich als Fan der ersten Silent Hill-Teile war der Film eine wahre Freude.

Bloodrayne dagegen…haben uns hier über den Schrott ausgelassen:

http://ninjalooter.de/25725/ninjacast-40-von-der-rolle-14-videospielverfilmungen-teil-2-von-doom-bis-hitman/

PS: Oha…in dem Cast folgt auf die Bloodrayne-Reihe sogar direkt Silent Hill

Peroy
Peroy
18. Januar, 2013 04:48

“Tatsächlich zählt Silent Hill zu den besten Videospieleverfilmungen ever.”

Tatsächlich ist “Silent Hill” ein Haufen konfus erzählter, brutal-dummer Scheisse.

Karsten
18. Januar, 2013 10:15

“Tatsächlich ist “Silent Hill” ein Haufen konfus erzählter, brutal-dummer Scheisse.”

Wie argumentierst du immer so schön: Nein. 😉

Peroy
Peroy
18. Januar, 2013 15:45

Doch.

Howie Munson
Howie Munson
18. Januar, 2013 16:24

Nein.

Doch.

Ohh!