29
Aug 2008

Fantasy Filmfest 2008-Kritiken (1): Restraint / Rage / Afro Samurai

Themen: Fantasy Filmf. 08, Film, TV & Presse, Neues |

FFF PlakatIch habe ein paar schwere Wochen hinter mir: In Rekordzeit musste ich mein erstes Kinoskript schreiben (mehr dazu, wenn das Thema spruchreif ist), einen Pitch für einen TV-Zweiteiler ausarbeiten, meine Webseite umgestalten, und diverse Kostenvoranschläge und Besichtigungen für meinen Dachgeschoss-Umbau organisieren. Mittwoch Abend war alles in trockenen Tüchern, und ich habe es ja schon mal gesagt – dann kommt üblicherweise der Crash. Und auf den ist Verlass: In den letzten drei Tagen habe ich pro Nacht zwar neun Stunden geschlafen, bin aber genau so gerädert aufgewacht, wie ich auf die Matratze gefallen bin.

Mir fehlt nicht die Ruhe, mir fehlt die Abwechslung. Die Chance, den Kopf freizublasen, die ewig gleichen Denktretmühlen zu verlassen. Vor ein paar Wochen war mir das mit der Düsseldorf/Köln/Berlin-Tour ganz gut gelungen. Und deshalb bin ich froh, auch diesmal etwas geplant zu haben, was nicht entspannend, aber zumindest abwechslungsreich sein wird.

Ich schreibe diese Zeilen in der Lobby des Motel One-Hotels in Nürnberg-City, kaum 400 Meter vom Cinecittá-Kinocenter entfernt, wo ich mir binnen 4 Tagen 16 Filme ansehen werde. Mein treuer Begleiter ist Doc Acula von Badmovies.de, und das ist nur gerecht, denn vor zwei Jahren kam er nach München, um dort am Fantasy Filmfest 2006 teilzunehmen. Ich gebe den Gefallen also nur zurück.

Einer der Hauptgründe, warum ich heuer nach Nürnberg fahre, statt mir das Festival in meiner eigenen Stadt anzusehen (wie 17 mal zuvor), ist: Die Festivalleitung hat sich dieses Jahr entscheiden, die Tour umzudrehen. Bis 2007 war München immer der Start des FFF, heute sind wir ganz zum Schluß dran. Das kränkt nicht nur mein Ego, es ist auch extrem ärgerlich für meine Blog-Arbeit, weil ich meinen Lesern nicht empfehlen kann, was sie sich in ihren Städten unbedingt ansehen sollen.

Angesichts der Menge der Filme, und der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit, werde ich keine so ausführlichen Kritiken schreiben wie im letzten Jahr. Stattdessen werde ich Filme, die ich an einem Tag gesehen habe, „gruppieren“. Ich hoffe, trotzdem ausreichend Information bieten zu können.

Gestern läutete ich das Festival mit dem Kiefer Sutherland-Gruselstreifen “Mirrors” ein, gefolgt von der Clive Barker-Adaption “Midnight Meat Train”. Diese bespreche ich allerdings erst morgen, denn schon im Vorfeld des Festivals hatte ich diverse Filme in Presse-Screenings und auf DVD gesehen. Die möchte ich zuerst einmal aufarbeiten.

RESTRAINT

Restraint PosterAustralien 2008. Regie: David Deneen. Darsteller: Travis Fimmel, Teresa Palmer, Stephen Moyer

Kurz gesagt: Ein australischer Thriller über ein psychopathisches Killerpärchen, das bei einem agoraphoben Millionär ins Landhaus einsteigt, um sich dort mit Geld für die Weiterreise zu versorgen. Schnell beginnen die Machtspielchen und psychologischen Tricks…

Ins Detail: Ein außerordentlich überflüssiger Nervenkitzler, der inhaltlich (aber nicht vom Gewaltquotient) an die perverseren Italo-Sleazer der 70er erinnert, in denen man gerne versuchte, die Abgründe der menschlichen Seele publikumswirksam auszuschlachten. Diesen Ansatz peppt Regisseur Deneen mit einer schicken, aber doch arg ausgelaugten Graublau-Werbeclip-Ästethik auf. Schöne Menschen, die in schöner Kulisse hässliche Dinge tun. Oberflächlich scheint es außerdem Ähnlichkeiten zu “Them” und dem Remake “The Strangers” zu geben, aber denen kann “Restraint” nicht einmal den Nachttopf reichen.

Das Problem: Man glaubt keine der Figuren – das Killerpärchen ist genau so irre und psycho-geil, wie sich schlechte Drehbuchautoren das vorstellen, und der Millionär ist natürlich in jeder Beziehung überlegen. Die Polizisten spannen rein gar nix, was besonders absurd wirkt,wenn der Hausherr an der Türe (mit der Knarre im Rücken) völlig verstört und mit Blut im Mundwinkel erklärt, es sei alles in Ordnung. Die Handlung verläuft dann auch spannungs- und twistfrei exakt so, wie man es erwartet.

Teresa Palmer

Bemerkenswert ist der Film allenfalls durch die erotische Präsenz von Teresa Palmer, die als Mischung aus Scarlett Johannsson und Reese Witherspoon eigentlich Hollywood-Karriere machen MUSS (sie ist prompt für den “Justice League”-Kinofilm im Gespräch). Erfreulich, dass sie hier noch ein paar mal ihren sehenswerten Körper gänzlich nackend zur Schau trägt.

Fazit: Für das Thema zu gelackt inszenierter und vorhersehbarer Pseudo-Thriller, der allenfalls einen mauen Fernsehabend rumbringt. 4 Sterne von 10, weil er auch nichts grundlegend falsch macht.

Zweite Meinung: “Delivers on all accounts through look, locations, casting and structure” (Eye for Film)

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THE RAGE

Rage Poster

USA 2007. Regie: Robert Kurtzman. Darsteller: Andrew Divoff, Erin Brown (aka Misti Mundae), Reggie Bannister

Kurz gesagt: Rüde Zombie-Comedy im B-Movie-Stil der 80er. Ein ziemlich mies gelaunter russicher Ex-Wissenschaftler (dem man sein Krebs-Heilmittel nicht gegönnt hat) erschafft in einem Holzschuppen im amerikanischen Hinterland ein Virus, der Menschen in tollwütige Zombies verwandelt. Leider greift das Virus auch auf Geier über, die damit gleich ein paar Urlauber infizieren. Ein Quartett junger Leute in einem Wohnmobil gerät zwischen alle Fronten…

Ins Detail: Ja, schon klar: “The Rage” möchte ein Splatter-Funfest sein, maßgeschneidert für Festivals wie dieses, Dosenbier im Blut, und mit einer Handvoll Veteranen des Genres gecastet, um bei der Fangoria-Crowd vorschnell das ausgeleierte Label “Kultfilm” zu erbetteln.

Dumm nur, dass der Film erheblich zu berechnend und talentfrei daherkommt, um sich als “einer von uns” ans Fandom ranwanzen zu können. “The Rage” ist eine ranzige Proll-Schlachtplatte von Effektspezialist Bob Kurtzman, der stolz seinen Gore-Schmadder in die Kamera hält, als hätte er nicht seit 20 Jahren bei den Besten der Branche gelernt, wie es besser geht. Wie bei den Amis üblich, wird am Ekel nicht gespart, während Erotik tabu ist: Erin Brown (aka Misti Mundae) hat angeblich eine lesbische Erfahrung, aber wir sehen nur, wie sie morgens voll bekleidet aus dem Schlafsack steigt (buuuuhhhh!!!).

Rage Divoff

Dass das Skript keine dramaturgischen Bäume entwurzelt, war ja abzusehen. Ich habe aber noch nie einen Film gesehen, in dem derart viel redundant gequasselt wird – wirklich ALLES, was wir sehen, wird von den Charakteren auch ausgesprochen (in etwa: “Da! Ein Haus! Gehen wir rein! So, jetzt sind wir drin! Hier ist es aber dunkel! Ich mach mal das Licht an! So, nun können wir endlich etwas sehen!”). Würde auch als Hörspiel gehen. Und kann mir jemand erklären, warum der Bösewicht für ein Krebs-Heilmittel den FRIEDENS-Nobelpreis kriegen wollte?

Rage Geier

Die “in-jokes” sind so schlecht, dass sie schmerzen – Humor braucht halt einen Autor, der auch welchen hat. Und selbst wenn man das hysterischeTeil (auch dank der Besetzung mit Andrew Divoff und Reggie Bannister) als Hommage an den tumben B-Splatter der 80er sehen will, verderben diverse extrem hilflose CGI-Billigeffekte den Spass an der Nostalgie. 85 Minuten Gekreische und Gefuchtel, das nervt.

Wenn man Uwe Boll die idee für “28 days later” gegeben hätte – er hätte einen Film wie “The Rage” draus gemacht (“Super, und dann machen wir da noch ein paar Monster rein, und das drehen wir dann im Wald, das ist billiger, und da brauchen wir auch nur ein paar Komparsen”).

Vielleicht bin ich aber einfach auch nur zu alt für so eine Scheiße.

Fazit: Keine Ahnung, ob man sich den schönsaufen kann, oder ob ein Kino voll durchgeknallter FFF-Besucher den Spaßfaktor erhöht, aber in dieser Form 2 Sterne von 10.

Zweite Meinung: “This year’s ultimate party movie” (Fangoria)

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AFRO SAMURAI

Afro Samurai CoverRegie: USA/Japan 2007. Regie: Fuminori Kizaki. Sprecher: Samuel L. Jackson, Kelly Hu, Ron Perlman

Kurz gesagt: Schwertkampf-Blutspritz-Anime-Reihe, auf Spielfilmlänge zusammengeschnitten. In keinem nachvollziehbaren Universum angesiedelt, zerschnitzelt ein afro-amerikanischer Samurai Dutzende von Gegnern, um am Schluss den Mörder seines Vaters zu stellen…

Ins Detail: Ich versteh’s nicht. Echt nicht. WAS? SOLL? DAS? Wer kommt auf sowas? Wer finanziert sowas? Wer findet sowas gut? Hat nicht IRGENDWANN mal einer gesagt: “Jungs, das ist doch Kappes, was wir hier machen”?!

“Afro Samurai” ist ein Sammelsurium an Ideen, auf die allenfalls ein hyperaktiver 12jähriger kommen kann, und die er dann atemlos begeistert auf dem Bolzplatz seinen Kumpels erzählt: “Und dann kämpfen die, und dann zieht der Afro Samurai sein Schwert, und ZACK – ist der Kopf ab! Fünf Meter Blutfontäne. Echt! FÜNF METER! Und da fliegen total viel die Körperteile rum, die ganze Zeit!”

Es gibt keine nennenswerte Story zu berichten: Afro Samurai killt, bis er den Mörder seines Vaters hat, und dann ist Ende. Das kann man dramaturgische Reduktion nennen, aber auch Langeweile. Technisch laufen die Kämpfe alle sehr gleichförmig ab, und es schimmert die episodische Grundstruktur der TV-Reihe durch.

Besonders ärgert mich der verworrene Schnickschnack, mit dem die Macher eine Komplexität vortäuschen wollen, die de facto nicht vorhanden ist: Es hat an keiner Stelle des Films irgendeine Bedeutung, dass der Afro Samurai ein Schwarzer ist (seine Herkunft wird auch nie erklärt). Und das Environment lässt zwar den Schluss zu, dass die Serie im Edo alter Zeiten spielt – die unregelmäßige Konfrontation mit moderner Technologie (z.B. arg kontempörärer Handys) deutet aber wieder auf eine undefinierte dystopische Zukunft hin. Auch hier fehlt jedes Gespür für dramaturgische Notwendigkeit. Das ist alles nur Deko für eine lächerlich simple Rachegeschichte, die nicht mal ansatzweise versucht, sowas wie eine Moral zu präsentieren. “Afro Samurai” ist nichts anderes als eine Zeichentrick-Roadmovie-Version von “Bloodsport”. Nur nicht so gut, wie sich das auf dem Papier vielleicht anhört.

Afro Samurai

Technisch überzeugt “Afro Samurai” im gesetzten Rahmen, die gold schimmernden Landschaften sind durchaus ästhetisch anzusehen. Die Framerate der Animation ist anime-typisch eher Mittelmaß, während die Choreographie der vielen Schwertkämpfe zwar halbwegs sauber ausgeführt, aber auch wenig innovativ ist.

Fazit: Einfallslose Splatter-Animation für Schwertkampf-Onanisten – und wirklich nur für die. Für alle anderen 3 von 10 Sternen.

Zweite Meinung: “A dizzying, wildly imaginative fusion of the classic samurai revenge tale with a very contemporary hip-hop sensibility” (Reel.Com)

Morgen geht’s weiter mit “Mirrors”, “Midnight Meat Train”, und “Terra”.



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Reptile
Reptile
29. August, 2008 20:24

Sehr schöner Bericht, freue mich schon auf die anderen Kritiken. Wow. Du hast ein Drehbuch für einen Kinofilm geschrieben? Damit hast Du es dann ja entgültig in die Oberliga geschaft oder? Da bin ich echt gespannt was du zu berichten hast.

Stony
Stony
29. August, 2008 22:18

😀 Da hast du dir ja gleich zum Anfang ein paar echt hübsche Heuler reinziehn müssen, ich drück dir die Daumen, vielleicht gibt es doch noch den einen oder anderen besseren ‘Ausreisser’, für den sich das Plattsitzen des Kinosessels lohnt…

Ansonsten: entspann dich, zisch nen paar Bierchen und genieß das ‘Grauen’… 😉

Perry
Perry
30. August, 2008 10:18

THE RAGE fand ich nun nicht soooo schlecht. Er sieht einigermaßen billig aus, vor allem die Geier, aber übermäßig langweilig ist er dann auch nicht.

Wortvogel
Wortvogel
30. August, 2008 12:36

@ Reptile: Ein Drehbuch für einen Kinofilm zu schreiben, ist mitnichten ein Schritt in die Oberliga. In vielerlei Beziehung ist die Arbeit für das Fernsehen ungleich anstrengenden und anspruchsvoller. Das Projekt ist mir auch eher in den Schoß gefallen. Man wird sehen.

@ Perry: Langweilig ist “The Rage” nicht, aber das kann für mich nicht der Maßstab sein. Ich habe diese selbst-referenziellen, hippen, post-ironischen Nudge Nudge Wink Wink-Trashfilme einfach über. Wenn man sich schon nicht anstrengen will, einen GUTEN Film zu machen, soll man es bitte gleich ganz lassen.

Perry
Perry
30. August, 2008 13:12

Ich weiß nicht, ob Trash per se ein GUTER Film sein kann. Und gerade das ist THE RAGE doch. Ich würde ihn irgendwo im Durchschnitt des B-Horrors einstufen. Aber wenn man ihn nicht gesehen hat, hat man auch nichts verpasst.

Tornhill
Tornhill
30. August, 2008 18:51

“Bemerkenswert ist der Film allenfalls durch die erotische Präsenz von Teresa Palmer, die als Mischung aus Scarlett Johannsson und Reese Witherspoon eigentlich Hollywood-Karriere machen MUSS”

Die Ähnlichkeit mit der Witherspoon ist aber wirklich erstaunlich – auf dem Bild dachte ich, sie wäre es tatsächlich und der dussliche Vogel hätte vergessen, sie in den Credits zu nennen.

Sollte man sich als Filmschaffender merken – ist immer gut, billigere Lookalikes für große teure Stars zu kennen. 😉

“Ich habe diese selbst-referenziellen, hippen, post-ironischen Nudge Nudge Wink Wink-Trashfilme einfach über. ”

Dem schließe ich mich an – man nimmt es dem noch immer tollen “Scream” schon fast übel, was er ausgelöst hat…Und es gibt ja immer noch Filmemacher, die sich für ach so klug halten, wenn ihnen auffällt, dass der Schwarze zuerst stirbt…

comicfreak
1. September, 2008 13:21

..das auf dem Bild soll aber kein Geier sein, oder?
Das Vieh sieht aus wie ein Plastiktruthahn!

😮