13
Aug 2007

Lotta in Love – Eine Story mit Folgen II

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Lotta3 (c) ProSiebenHINWEIS: ERST DIE VORHERIGEN TEILE LESEN!

Wir erinnern uns: Telenovela- Boom, ProSieben, Pitch Paper, Ägypten, Urlaub, SMS, Rückruf bei Christian Becker wegen “Lena – Liebe im Doppelpack”

Christian machte es kurz: ProSieben hatte den Pitch gelesen, fand ihn klasse, wollte mehr. Allerdings seien noch drei weitere Konzepte anderer Firmen im Rennen.

Ich konnte es kaum glauben – ich hatte doch nun wirklich nichts Weltbewegendes abgeliefert. Aber gut – die nächsten Tage machte ich mir locker ein paar Gedanken, wie sich „Lena – Liebe im Doppelpack“ ausführlicher darstellen ließ.

Zurück in München gab es die ersten Meetings, und ich schrieb meine erste wirkliche Outline. Ich hatte diese verrückte Idee, die Telenovela als Buch mit verschiedenen Kapiteln zu erzählen. Kapitel 1 war „Lena wird Popstar wider Willen“, Kapitel 2 war „Lena muss ihre erste Platte aufnehmen“, Kapitel 3 war „Lena muss auf Tour gehen“, etc. Jedes Kapitel sollte 30 Folgen umfassen, jeweils mit neuen Sets und neuen Nebenfiguren. 5 Kapitel, 150 Folgen insgesamt. Das Kapitel „on tour“ sollte fast vollkommen in einem gigantischen Tourbus spielen!

Heute weiß ich natürlich, dass so was weder technisch noch finanziell umsetzbar ist. Telenovelas leben von wiederkehrenden Elementen und Figuren, das geht nicht anders.

Die zwei Gesichter der BiedermannMeine erste Outline war ca. 25 Seiten lang, beschrieb die Figuren, die Handlung, und die einzelnen Drehorte. Rat Pack hatte ein nettes Logo entwerfen lassen, und damit sah das Paket schon ziemlich beeindruckend aus. Außerdem hatten wir eine Idee, wer die ideale „Lena“ sein sollte: Jeanette Biedermann. Sie sieht harmlos genug aus, um ein normales Mädchen zu spielen – hat aber auch das Talent und den Glamour, um den zickigen Popstar zu geben. Es half mir eminent, sie bei der Outline immer vor Augen zu haben. Auch der Sender war von der Idee, Jeanette als Zugpferd zu haben, begeistert. Immerhin kam sie wie Alex Neldel und Yvonne Catterfeld aus dem GZSZ-Stall.

In dieser Zeit (also im Frühling/Sommer 2005) wurden bei „Lena“ auch die ersten Kanten abgefeilt. Zuerst einmal fiel das Kind weg, was ich sehr schade fand – es hieß, dauernde Dreharbeiten mit Kindern seien zu schwierig, und die Telenovela-Protagonistin müsse etwas „jungfräuliches“ haben. Auch die Idee, dass Lena die Musik von Popstar Isabella alias „Isi“ eigentlich komplett langweilig findet, musste fallengelassen werden – schließlich wollte der Sender an der Musik auch noch kräftig verdienen. Das ist verständlich. Kurzum: alles wurde glatter, gefälliger. Bloß kein Risiko eingehen.

Ich schrieb also eine neue Fassung nach der anderen, immer wieder mit den Ideen des Senders, die sich teilweise im Stundentakt änderten (auch das ist kein ProSieben-typisches Problem – es ist die Regel in dieser Branche). Irgendwie wollte man mehr Familie in der Serie haben (wie bei „Verliebt in Berlin“), und irgendwie auch mehr Isi – zu der Problematik schreibe ich später noch was. Man zerrte an dem Konzept herum, drückte, drehte, und irgendwann kam eine Serienbibel raus, die zumindest für den Wettbewerb um den Auftrag von ProSieben reichen sollte.

Ehrlich: Ich rechnete mir keine großen Chancen aus. Gegen Rat Pack traten alle großen Soap-Produktionsfirmen an, und diese hatten teilweise ihre besten Leute und erstaunlich viel Geld investiert, um sich den Auftrag zu angeln. Ein Senderchef, den ich ganz gut kenne, meinte gar: „Du kannst gar nicht gewinnen, weil ProSieben/Sat.1 gerade mit Producers at Work eine eigene Produktionsfirma gegründet hat, die nun mit Aufträgen versorgt werden muss.“

Ich erspare mir längere Beschreibungen der Wartezeit auf die Nachricht vom Sender, denn wir alle wissen ja, was kam – „Lena – Liebe im Doppelpack“ bekam den Zuschlag! Ich war komplett platt. Sowohl Rat Pack als auch ich selbst waren ja als Außenseiter ins Rennen gegangen. Es gab also nun tatsächlich den Auftrag, die Serie konkret zu entwickeln.

Und damit gingen die Probleme richtig los.

Ich teilte Rat Pack mit, woraus ich von Anfang an keinen Hehl gemacht hatte: Als Headautor oder gar Dramaturg würde ich nicht zur Verfügung stehen. Ich bin Entwickler, Drehbuchautor einzelner Projekte. Der Stress einer Serie liegt mir nicht. Ich kann am besten in kurzen kreativen Schüben arbeiten, nach denen ich genügend Auszeit brauche. Tägliche Arbeit im Team, ständig auf Abruf? Dafür hatte ich nicht zwei Jahre vorher bei Tandem Communications gekündigt. Ich war freier Autor mit der Betonung auf „frei“. Außerdem verstand ich ja gar nichts von der Dynamik einer täglichen Serie und deren Produktion. Rat Pack sah das auch ein, bat mich, die Serie zur Drehreife zu entwickeln, und dann einem anderen, erfahrenen Kollegen zu übergeben.

Nun kam die Phase, die jeder Autor hasst – Entwicklung. Unter Kennern auch gerne „Folter“ oder „Gang durch die Hölle“ genannt. Wenn alle möglichen Leute der Meinung sind, sie müssten ihren Senf dazu geben, und diesen auch verwurstet sehen. Wenn man gegenteilige Order bekommt, die aber gleichwertig beachtet werden müssen. Wenn genau das, was man für die Einzigartigkeit des Konzepts hält, als „zu schräg“ abgeschossen wird. Wenn man ständig hört „Die machen das bei ‚Verliebt in Berlin’ aber so“, und im umgekehrten Fall mit einem „Wir machen aber keine Kopie von ‚Verliebt in Berlin’“ beschieden wird. Ich ernährte mich in dieser Zeit hauptsächlich von Wut und Tischkanten.

Irgendwann im Sommer wurde auch eine Entwicklerin angeheuert, die mir dabei helfen sollte, das Konzept etwas umsetzbarer zu gestalten. Sie hatte Soap-Erfahrung, und war wirklich hilfreich dabei, die Mechanismen dieses Genres zu durchblicken. Wir verbrachten ganze Wochenenden damit, Handlungsstränge für alle Figuren und Plots mit verschiedenfarbigen Markern auf lange Tapetenrollen an der Wand zu kritzeln. Denn der Sender wollte ALLE Handlungsstränge von der ersten bis zur letzten Folge wissen. Ich selber hielt das für Unsinn, weil man erstmal abwarten muss, was sich erfolgreich entwickelt, aber ich war nicht in der Position, mich durchzusetzen.

Irgendwann telefonierte ich auch mit Jeanette Biedermanns Management, um über die Sängerin zu reden. Man hatte die Anrufe von Rat Pack einfach nicht erwidert. Ich krallte mir den Agenten der Sängerin, und redete ihm eine Stunde lang die Hucke voll. Er versprach, sich zusammen mit Jeanette das Konzept genau anzusehen, und wirkte durchaus interessiert (kein Wunder – Alex Neldel war gerade auf wirklich jedem Titelblatt zu sehen).

Dieser Traum platzte als nächstes: Jeanette hatte eben einen Vertrag mit SAT.1 für die Comedy-Serie „Flaschengeist auf Probe“ unterschrieben. Sie war also nicht abkömmlich. Es ist fast schon ein Treppenwitz der Geschichte, dass sich SAT.1 und die Produktionsfirma von „Flaschengeist auf Probe“ bald darauf so sehr verkrachten, dass die Dreharbeiten abgebrochen wurden, und die Serie auf ewig ins Archiv wanderte. Ich bekam eine späte Genugtuung, als Jeanette die Hauptrolle in meiner Episode der „Märchenstunden“ spielte.

Lesen Sie morgen: Neue Hauptdarstellerin – woher? Der Termin mit dem Vorstand. Was macht eigentlich ein Headautor?



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Ben
Ben
13. August, 2007 20:00

Das ursprüngliche Konzept liest sich wirklich sehr gut. Das wäre sicher interessant geworden.

Samira
Samira
13. August, 2007 23:26

Das ist ja total spannend! Diese ganze Entwicklung (vom Brainstorming, Mindmapping, Serviettengekritzel whatever bis zum fertigen, finalen Produkt) find ich extremst faszinierend, danke dass du das hier nachzeichnest.
Ich bin nebem dem Studium manchmal aushilfsweise kleine Regieassi und dachte das Rumgemucke ums Konzept und der subjektive Irrglaube eines jeden er und einzig er hätte die professionellste Meinung und sowieso beste Idee läge an meinem noch nicht so ausgereiftem Durchsetzungsvermögen. Dass sich große Sender benehmen wie manchmal unsere hintersten Statisten beruhigt mich ungemein. 😉
Auch wenn mir jetzt entweder keiner glaubt und es als Rumgeschleime abtut oder mich aber einfach dafür auslacht: ich fand Lil anfangs echt gut. Ich war nicht Fan der Serie (ich war ja auch net Zielgruppe), aber ich fand es gut und interessant gemacht. (So auf Metaebene und so.)
Freue mich auf Fortsetzung.

Thomas
Thomas
14. August, 2007 21:54

Wirklich sehr interessant die Entwicklung eines fiktionalen Formats mal im Detail zu lesen.
Ich habe LiL hin und wieder angeschaut, obwohl ich tägliche Serien normalerweise meide und fand es sehr gut, halte aber ProSieben aus mannigfaltigen Gründen für den total verkehrten Sender für fiktionale Serien obwohl das in München keiner einsehen will.
Schön finde ich auch die Erwähnung von Flaschengeist auf Probe, einer sehr interessanten Geschichte die leider für mich nie zufriedenstellend geklärt wurde, da soll also eine seit Jahrzenten etablierte Produktionsfirma so einen Mist produziert haben das man die Abnahme verweigerte. Wozu entsendet ein Sender dann Redakteure um die Dreharbeiten zu überwachen. Sehr mysteriös…

Malte
Malte
15. August, 2007 14:35

Ich muss zugeben nicht eine einzige Folge deiner Telenovela gesehen zu haben. Eine Folge ViB reichte mir aus, um zu erkennen das dieses Genre nicht unbedingt zu meinen Favoriten zählt.

Zum Text: Für mich ist es doch sehr verblüffend, wie viele Parallelen es bei der Entwicklung von Software- und TV-Produkten gibt. Auftraggeber und -entwickler sprechen unterschiedliche Sprachen, Anforderungen ändern sich stündlich, die Wünsche und Abneigungen der späteren Kunden, die sich irgendein wichtiger Kopf vorstellt sind hanebüchen, usw.

Ich muss mich wiederholen: Toller Text, sehr interessant.